„Leistung in der Ausbildung muss honoriert werden“

Aktueller Berufsbildungsbericht: hohe Abbrecherquote bei Auszubildenden – Friseurhandwerk betroffen – Plädoyer für starke Umbrüche in den Salonbetrieben
Die Schlagzeilen überschlagen sich derzeit: Immer mehr Azubis schmeißen hin, die Zahl der Ausbildungsabbrecher steigt. Nach Angaben des aktuellen Berufsbildungsberichts 2018 beendet jeder vierte Auszubildende seine Lehre vorzeitig. Besonders hoch ist die Abbrecherquote auch beim Friseurberuf – dort höre etwa jeder Zweite vor der Abschlussprüfung auf, so die Angaben. Lehrlinge nennen Konflikte mit Vorgesetzten, eine mangelnde Ausbildungsqualität, ungünstige Arbeitsbedingungen sowie falsche Berufsvorstellungen als Gründe auf. Die Betriebe hingegen die überwiegend mangelnde Ausbildungsleistungen und fehlende Motivation. Gress Friseure in Esslingen befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema Ausbildung – um genau diesen Abbrüchen der Ausbildung vorzubeugen.

„Die TV-Berichterstattung zu den Ausbildungsabbrüchen im Handwerk können wir nicht unkommentiert stehen lassen", sagt Geschäftsführer Peter Gress. „Bedauerlicherweise wird bei jeder negativen Berichterstattung über Friseure die Stundenlöhne und Ausbildungsbeihilfen genannt. Die Rede ist von 150 Euro Ausbildungsbeihilfe im Friseurhandwerk. In Baden-Württemberg liegen sie zwischen 425 Euro und 535 Euro je nach Lehrjahr." Im eigenen Betrieb werde die Bezahlung sogar höher gestaffelt, bei Gress Friseure verdienen die Lehrlinge bis zu 700 Euro monatlich, hinzu kommen Beteiligungen am Verkauf und an Dienstleistungen. Talentierte Azubis schaffen Umsätze von bis zu 4500 Euro pro Monat – was sich entsprechend auszahlt. „Das ist nicht der Standard, dafür muss das Unternehmen etwas tun. Leistung in der Ausbildung muss honoriert werden. Echte, intrinsisch motivierte Leistung zu belohnen hat nichts mit Druck und Ausbeutung zu tun."

Abbrecherquote innerhalb der Generation Z minimieren

Auch über moderne Vermittlungsmethoden gelingt es, die Abbrecherquote innerhalb der Generation Z zu minimieren, davon ist Peter Gress überzeugt: „Die Nachwuchssicherung gelingt, indem die Online-Welt als Zusatznutzen in Anspruch genommen wird. Unsere Aufgabe als Ausbilder ist es, die Anmutung der digitalen Welt in unsere Ausbildungs- und Arbeitsumgebung zu integrieren. Wir schaffen die Plattform, auf der sich Jugendliche verwirklichen können."

Wie lässt sich die digitale Transformation auch in das Lernen bringen? Mit dieser Frage befasst sich Peter Gress schon länger. Ob Augmented Reality, Virtual Reality, eLearning oder Video-Tutorials: „Ausbildung ist ein Abenteuer. Alles muss erlaubt und neu gedacht werden." Fotografische und filmische Dokumentation von Leistung, der direkte Upload von Fach-Content aus dem Salon in Instagram, Podcast- und Video-Projekte bieten da hervorragende Möglichkeiten.

Bereits die Auswahl der Jugendlichen für eine Ausbildung ist für den Erfolg entscheidend – für alle Beteiligten. Gress Frieure setzt daher auf hohe Kriterien im Vorfeld, um die soziale Kompetenz und die kreativen Anlagen abzufragen. „Wir nehmen nicht mehr jeden in die Ausbildung, den wir nett finden, dem wir helfen wollen, der eine Chance braucht oder dessen Eltern wir kennen. Das bringt am Ende allen nur Frust und Unlust." Besser seien mehrere Praktika in der Schulzeit und das Angebot, samstags als Aushilfe zu arbeiten. So erkennen Unternehmen und Kandidat schnell, ob sich ein gemeinsamer Weg lohnt – hin zu einem Beruf, der dann mit Leidenschaft ausgeführt wird.

Neues Mindest bei allen Mitarbeitern

Antiquiert sind die Ansichten der berühmt berüchtigten Lehr- und Herrenjahre – das müssen auch Ausbilder heutzutage begreifen. „Die richtigen Auszubildenden müssen an die richtigen Ausbilder kommen", sagt Gress. Ziel des Salons sei es, vollwertige Fachkräfte am Ende der Ausbildung in ein unbefristetes Anstellungsverhältnis zu übernehmen und damit die Entwicklung des Unternehmens zu sichern. Dafür brauche es System und Strategie. „Der Meisterbrief darf per se keine Genehmigung mehr zum Ausbilden sein, es bedarf einer separaten Ausbildereignungsprüfung." Lehrlinge sind nicht zur Bequemlichkeit der etablierten Meister und Gesellen vor Ort, sondern sollen den Großteil ihrer Zeit damit verbringen, zu lernen und zu üben. Dieses Mindest braucht es bei allen Mitarbeitern im Unternehmen. „Es geht um die sinnvolle Beschäftigung mit handwerklicher Arbeit und einer Ausbildung, die über den normalen Rand des Friseurberufes weit hinausschaut."

Ausbildungswillige stehen auch im Friseurhandwerk nicht grade Schlange. Also braucht es Berufsbilder und Salons, die engagierte junge Menschen anziehen. Gress: „Dafür müssen wir alle etwas mehr tun als bisher. Das beginnt bei der optimalen Entlohnung und endet noch lange nicht bei der Präqualifizierung in einer angesehenen Friseurakademie. Der Saloninhaber spricht sich dafür aus, Auszubildende nicht mehr in die Berufsschule schicken zu müssen: „Das ist vergeudete Zeit. Wir brauchen ein fortschrittliches System, mit dem wir sicherstellen, dass wir fachliche und theoretische Exzellenz erreichen."

Sich Meinungen von außen holen, experimentierfreudige Kollegen anhören und als Unternehmen den Mut haben, die Ausbildung und ihre Durchführung komplett infrage zu stellen – das sind notwendige Schritte, um die Abrecherquote zu senken. Gress: „In althergebrachten Mustern zu verharren und diese zu verteidigen, bringt uns nicht weiter. Der Friseurberuf ist im Umbruch, es brennt an allen Enden."